News Alternatives Wohnen in Stickereilofts 24. Juli 2017
Stephan Grabher, einer der Architekten der Architekturwerkstatt Dworzak-Grabher, der den Umbau der Teilenstraße neben Hugo Dworzak federführend begleitet hat, spricht von einem Lieblingsprojekt. Dass die Fachwelt das ähnlich sieht und das Projekt mehrfach ausgezeichnet hat, freut die Architekten und bestätigt, wie wichtig - aber auch wie selten - alternative Wohnprojekte sind. Der gute Rat, Lustenaus Initiative zur Leerstandaktivierung, führte Interessierte im Juli vor Ort in die preisgekrönten Stickereilofts in der Teilenstraße 4.
Die Lofts, in denen wir mit dem zweiten guten Rat vor Ort zu Gast sein durften, sind Mietwohnungen. Daher wurde wohlverdient auch der Bauherr Heinz Hämmerle mit einem Bauherrenpreis geehrt. Es gehört durchaus Mut dazu in solch ein besonderes Projekt zu investieren. Doch der Ideengeber, wenn man so will Initiator, Jan Lucas Härle, blieb hartnäckig. Mit einem Vorprojekt der Architekten und einem dazugehörigen Flyer wurden schon im Vorfeld potentielle Mieter gesucht und auch gefunden. So konnte Heinz Hämmerle überzeugt werden. Neben allen offiziellen Auszeichnungen ist die vielleicht größte Bestätigung für den Erfolg des Projektes, dass trotz der für Mietwohnungen üblichen Fluktuation noch keine auch nur kurzzeitig leer gestanden ist.
Gelungenes Beispiel einer Revitalisierung
Die Halle war ein Zweckbau, dessen Dimensionen auf die Stickmaschine reagierten. Die Anzahl der Fenster war zugleich die Zahl der Stickmaschinen. Die süd- und nordseitig situierten und entsprechend großzügigen, doppelten Kastenfenster ließen viel Licht zum Arbeiten in die Halle. Es gelang den Architekten, diese räumliche Großzügigkeit und Andersartigkeit zu nutzen, zu erhalten und aus der Halle fünf einzigartige Loftwohnungen zu generieren. Die Halle wird dazu quer zum Giebel unterteilt, über die nordseitigen Fenster werden die Wohnungen separat erschlossen, über die südseitigen Fenster gelangen die Bewohner in einen gemeinsam genutzten, großzügigen Garten. Jeweils die Hälfte der alten Fenster weicht deshalb einer neuen Glastüre, die andere Hälfte bleibt original als altes Kastenfenster erhalten. Das gelang, obwohl diese nicht aktuellen Wärmedämmwerten entsprechen. In solch einem Fall ist es dem Bürgermeister als Baubehörde möglich, Ausnahmen zu gewähren, vorausgesetzt es können andere Aspekte wie das Erscheinungsbild und der besondere Charakter des Gebäudes durch die Abweichung erhalten werden. Es empfiehlt sich daher frühzeitig mit der Baubehörde in Kontakt zu treten, um gemeinsam Lösungen zu finden.
Neues Wohnen in alten Stickereihallen
Dass der Charakter des rund 100 Jahre alten Gebäudes erhalten werden konnte, ist für Lustenau eine Bereicherung. Stickerei ist ein wichtiger Teil der Geschichte der Gemeinde, Nutzbauten zu diesem Zwecke prägen ihr Siedlungsbild. Durch den Wandel in der Textilindustrie sind viele dieser Gebäude und Räume überflüssig geworden, stehen leer oder verschwinden durch Abbruch. Indem solch ein Bau der neuen Nutzung Wohnen zugeführt wurde gelang es, ein Stück kollektive Erinnerung für die Zukunft zu bewahren.
Alt und neu ergänzen sich
„Alt und neu haben einander nie ausgeschlossen - nämlich das gute Alte und das gute Neue“, sagt Architekt Hugo Dworzak. Die guten räumlichen Qualitäten des Bestandes bilden die Grundlage für gutes neues Wohnen. Qualitäten, die den heutigen Wohnungsneubauten meist fehlen, die in der Teilenstraße die Architekten mit ihrem Konzept voll ausgenutzt und zur Geltung gebracht haben. Der Raum bleibt als Ganzes erhalten, Bad und Küche werden als kompakter Kern darin platziert, darauf entsteht eine Galerie, die flexibel bei Bedarf erweitert werden kann um mehr Wohnfläche zu erhalten. Zwischen 85 und 100 m² pro Loft sind so möglich.
Bereicherung für das Zusammenleben
Den Bewohnerinnen und Bewohnern wird die Möglichkeit gegeben sich einzubringen, sich den Raum anzueignen und auf verschiedene Arten zu nutzen. Wohnen abseits vom Standard spricht vor allem junge Mieter an. Sie genießen die Offenheit ihrer Wohnung im Inneren sowie auch im Außenbereich. Die Möglichkeit, sich im Garten zu treffen, der soziale Kontakt und Austausch ist für sie eine Bereicherung zum privaten Wohnen.
Einstige Nutzung bleibt spürbar
Neben den Fenstern wurden auch andere, alte Elemente erhalten und wiederverwendet. Alte Mauerfragmente mit all ihrer Patina dürfen sichtbar bleiben, die Teile der Fenster, die den Haustüren weichen mussten, dienen als Oberlichten für die Badezimmer, alte Gitterteile aus der Stickerei sind heute Rankhilfen im Garten. Die neuen Bauteile entsprechen dem Stand der Technik, die Wahl der Materialien und Ausstattungen ist einfach und ehrlich. Oberflächen bleiben roh, die Küche ist kompakt, die Ausstattung der Badezimmer reduziert. So war es möglich, rund 1/3 unter dem Quadratmeter-Preis von klassischen Wohnungsbauten zu bleiben. Das Gerücht, dass Sanieren generell teurer ist als ein Neubau, ist damit wieder einmal widerlegt.
„Ein guter Rat“ für Umbau, Raumnutzung und Leerstand
Die Lustenauer Servicestelle unterstützt ImmobilienbesitzerInnen, die ihr leerstehendes Haus aus dem Schlaf wecken, eine Wohnung sanieren oder das brachliegende Grundstück sinnvoll nutzen möchten. Rechtsberater, Architekten und Verantwortliche aus dem Bauamt bieten eine kostenlose Erstberatung und helfen über die ersten Hürden.
Beim guten Rat vor Ort, machen Bauleute/ArchitektInnen/BewohnerInnen ihr Vorzeigeprojekt Interessierten für ein paar Stunden zugänglich, plaudern aus dem Nähkästchen und geben Tipps.
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