News Archivale des Monats Rheinüberschwemmung 1890 2. September 2020
Vor 130 Jahren ereignete sich die letzte Rheinüberschwemmung, die aufgrund der damals noch unzureichenden Rheinregulierung verheerende Schäden in Lustenau anrichtete. In Folge starker Regenfälle im Einzugsgebiet des Rheins brach der Rheindamm am 30. August 1890 auf Höhe Altach. Den Wassermassen, die ungehindert gen Lustenau strömten, konnte der Seelachendamm keinen Einhalt mehr bieten, was dann zur Überflutung großer Teile Lustenaus führte.
Der Lustenauer Sticker und Landwirt Albin Schmid (* 28.01.1878, + 04.09.1959) hielt in seinen umfassenden Aufzeichnungen das Ereignis in drastischen Worten fest:
„Wiederum brachte der Rhein riesige Wassermassen. Die ganze Bevölkerung und die Wasserwehr waren allarmiert [sic] worden zum Schutze des Elements, mit Todesverachtung stürzten sich bei uns Männer in die vom Wasser schon gerissenen Löcher in den Dämmen, bis die bereitgehaltenen Sandsäcke, Steine und Erdlappen zur Stelle waren die Löcher zu verstopfen. […] Endlich gegen Mittag sank das Wasser im Rheinbette, aber bald war der Grund des Sinkens bekannt. In Koblach war der Rhein eingebrochen und seine Fluten wälzten sich unter furchtbarem Getöse durch Gemeinden und Felder. Der Seelachendamm, der schon so vieles Geld gekostet, wurde einfach weggeschwemmt, die Straßen wurden arg zerrissen. Große Löcher fanden sich darin, 5 bis 20 Meter tief, es gab viele Stellen, die gar nicht oder nur mit großer Mühe und Anstrengung mit den Schiffen übersetzt werden konnten. Wenn ein Schiff in den Wirbel geriet, gings drunter und drüber, was mit dem alten Ausdruck ‚Rheinbräch‘ benannt wurde. Schöne Tage für die Kinder und jungen Leute, alle freudig gestimmt, kannten den Schaden noch nicht, spielten, ruderten, und schwammen in den Straßen herum, tummelten sich in den Haushofstatten auf Flößen und Gondeln. Das Ungeziefer war in Massen von Ried und Feld zu sehen auf Bäumen, Dämmen, an den Häusern, überall sogar auf die Flöße und Schiffe flüchteten selbe und Mäuse vom Hunger gequält, nagten an der Schiffer Schuhe. Die Maulwurfsgrillen, Werlen, hatten wir in Lustenau vor den Rheinüberschwemmungen nicht gekannt, welche jetzt in Massen herschwammen und sich überall niederließen. In jedem Haus war Jammer zu hören, da die Ernte wiederum zugrunde gegangen war. Viele Leute gingen gleich an das Erdäpfel ausgraben im Wasser stehend bis an die Knie, holten Rüben und vieles andere aus dem Wasser, doch alles umsonst! Nach ein paar Tagen war alles umgestanden und verfault. Ein hässlich faulender Geruch war in Ried und Feld, aber auch in den Häusern, der Winter stand vor der Tür, und kein Haus konnte mehr austrocknen. […] Die Gemeinde besorgte die Verteilung der Unterstützungsgelder, bezog Kohlen und Lebensmittel die vom Staate frachtfrei überführt wurden und verabfolgte selbe den Bewohnern. Die Spenden an Geld und Naturalien waren groß, aber auch der Schaden unermesslich. Ein Hilfsfond wurde geschaffen und der Noth [sic], wo selbe am größten war, einigermaßen Einhalt geboten. Die Überschwemmungsjahre werden von Jedem, der sie miterlebte, mit Grauen in Erinnerung bleiben.“
Schilderung eines Begräbnisses
Sehr interessant ist auch die Schilderung einer Beerdigung in der Zeit des Hochwassers: „So war ich auch bei einem Leichenzug von Flößen und Schiffen, im Schiffe der Sarg in dem die Todte [sic], die schon 3 Tage im Wasser in der Kammer schaukelte, saßen die Schiffer auf dem Sarg und ruderten dem Friedhofe zu, hintendrein die Verwandten und Nachbarn auf Flößen! Beim Friedhof angelangt wurde der Sarg von 4 Schiffern ausgehoben, auf die Bahre gelegt und baarfuß [sic] mit aufgestülpten Hosen gings den Kirchhof hinab, doch auch hier Wasser, das geschaufelte Grab voll und so wurde die Todte [sic] im Sarge hinabgedrückt [und] mit Pfählen und Erde aufgeschaufelt. Ein wirklich nasses und schauerliches Grab und ein ganz primitiver, eigenartiger Leichenzug. […]“ Es war dies nicht das letzte gravierende Rheinhochwasser, doch durch die Rheinregulierung (der Staatsverstag zwischen der Schweiz und Österreich-Ungarn wurde 1892 unterzeichnet) hielten sich die Schäden an Häusern, Feldern und Straßen in den späteren Jahren in Grenzen.