News Beginn des motorisierten Verkehrs in Vorarlberg 23. November 2020

Das erste Auto in Vorarlberg, einen „dreirädrigen Benz-Patent-Motorwagen“ erwarb der in Bregenz wohnhafte Maler Eugen Zardetti (1849-1926) im Jahr 1893. Vermutlich war er damit auch der erste Autobesitzer der gesamten österreichisch-ungarischen Monarchie. Zardetti war 1892 außerdem der erste Motorbootbesitzer am Bodensee. Er dokumentierte seine Ausfahrten sowohl mit dem Boot als auch mit dem PKW akribisch in einem Tagebuch, auf dessen Basis Emmerich Gmeiner 2007 eine detaillierte Geschichte des frühen Automobilismus in Vorarlberg schrieb.

Opener Führerschein Anna Brunold Innenseite B101_2 Am 28. November 1928 wurde von der BH Feldkirch ein Führerschein für die 1909 geborene Anna Brunold ausgestellt. Sie dürfte eine der ersten Autofahrerinnen Lustenaus gewesen sein. Dass man nur mit männlichen Kandidaten für die Führerscheinprüfung rechnete, beweist schon die vorgedruckte Formulierung auf dem Dokument, wonach „Dem Herrn Anna Brunold […] die Erlaubnis zur selbstständigen Führung eines mehrspurigen Kraftfahrzeugs erteilt“ wurde.

Das erste Auto in Lustenau

Foto 1 Autobus Der „Autobus“ des Albert Alge 1903 vor dem Gasthaus Sonne.

In Lustenau war der Habsburgwirt Albert Alge 1903 der erste Autobesitzer und gründete im selben Zug eine „Automobilgesellschaft“, die den ersten Lustenauer Ortsbus betrieb. Nachdem die Lieferung des bestellten Fahrzeugs auf sich warten ließ, stellte der Hersteller Saurer/Arbon zwischenzeitlich einen anderen Wagen mit acht Plätzen zur Verfügung. Dieser sogenannte „Hager Karren“ oder „Hagar Teifl“ blieb bis zur Lieferung des zwölfplätzigen Autobusses 1905 im Einsatz. Der Bus verkehrte zwölf Mal täglich zwischen dem Bahnhof und dem Kirchplatz, mit zwei Haltestellen dazwischen. Den Anschluss an Dornbirn und damit die Eisenbahn bediente bereits seit 1902 die „Tram“ (Elektrische-Bahn-Dornbirn-Lustenau). Dem Lustenauer Bürgermeister Eduard Hämmerle erschien das neue Verkehrsmittel „in der auf dem Gebiete des Fortschrittes sich aufraffenden Marktgemeinde Lustenau [..] als sehr geeignet und zweckdienlich“, es werde „von der gesamten Bevölkerung begrüßt“.

Eugen Zardetti in Bregenz berichtete in seinem Motorwagen-Tagebuch hingegen noch 1905 von vielen unangenehmen Begegnungen, einerseits scheuten die Pferde vor dem lauten Gefährt, andererseits fürchteten sich die Menschen, was angeblich soweit führte, dass sich Frauen bekreuzigten und im PKW den leibhaftigen Teufel vermuteten.

Obwohl Alges PKW eine Spitzengeschwindigkeit von 20 km/h erreichen konnte, wurde ihm von der BH eine Höchstgeschwindigkeit von lediglich 8 km/h vorgeschrieben.

Das erste Motorrad Lustenaus besaß ab 1904 der Fahrradhändler Innozenz Feuerstein (Gänslestraße 1).

Während Eugen Zardetti 1893 noch bis nach Lindau fahren musste, um zu tanken, konnten die Lustenauer Autobesitzer 1931 bereits an zehn verschiedenen Orten in Lustenau (darunter die Gasthäuser zum Schwanen, zur Linde, zur Frohen Aussicht, zum Hecht sowie beim Lustenauer Hof und an der Tankstelle Staldenstraße 6) in Lustenau Benzin kaufen oder direkt zapfen.

Foto 2 Habisreutinger Roman Habisreutinger (Faßfabrikation) fuhr 1931 diesen „Fiat Typ A.F.1“, den er als Kleinlaster mit Ladebrücke über den Hintersitzen nutzte.
Foto 3 Gemeindewagen Im Oktober 1952 wurde der gemeindeeigene Opel in einen Unfall verwickelt und erlitt einen Totalschaden. Der Fahrer (der Leiter des Bauamts) musste im Krankenhaus behandelt werden. Der Wagen wurde im darauffolgenden Jahr durch einen „Fiat Steyr 1400“ ersetzt.

Reglementierung des Autoverkehrs

Foto 4 Führerschein Anna Brunold Außenseite B101_1 Auf dem Führerschein waren die geltenden Verkehrsregeln abgedruckt.

Im Jahre 1905/06 erfuhr der bis dahin in den Kronländern unterschiedlich gehandhabte Automobilverkehr eine umfassende Regelung. In den 1905 verlautbarten und ab Jänner 1906 geltenden „Sicherheitspolizeilichen Bestimmungen für den Betrieb von Automobilen und Motorrädern“ wurden folgende Maßnahmen gesetzlich verankert: eine Höchstgeschwindigkeit von maximal 45 km/h außerorts und 15 km/h innerorts sofern es die Straßen- und Wetterverhältnisse zuließen (bei Nebel, an Kreuzungen, Straßenkrümmungen, in schmalen Gassen 6 km/h); die Einführung von Nummerntafeln, die zu Beginn vom Fahrzeughalter selbst auf ein Stück Holz, Pappe, Blech etc. gemalt und am Fahrzeug montiert werden musste; ein Mindestalter von 18 Jahren für mehrspurige Fahrzeuge und die Ausstellung einer Fahrlizenz durch die BH. Diese Lizenz war an eine Art mündliche Prüfung sowie an eine mit dem eigenen Fahrzeug vorzunehmende Probefahrt mit dem Prüfungskommissär gebunden. Für das Fahren von Motorrädern war hingegen erst ab 1930 ein Führerschein erforderlich.

Anfangs noch vielerorts skeptisch bis ablehnend beäugt, setzte sich der motorisierte Verkehr im Laufe der Jahrzehnte bekanntlich immer weiter durch. Waren es in ganz Vorarlberg 1930 knapp 1000 PKW und 1230 Motorräder, die die Straßen unsicher machten, so kletterte diese Zahl in den nächsten 20 Jahren auf 10.000 Kraftfahrzeuge, im Jahr 2019 erreichte die Zahl der KFZ knapp 300.000.