News „Dar Schlau“ lieferte viel Stoff für ein Archivgespräch 12. Oktober 2016
Im bis auf den letzten Platz gefüllten Rathaussaal referierte der Historiker Peter Melichar im Rahmen der Lustenauer Archivgespräche am 3. Oktober über den Lustenauer Stickereifabrikanten Hermann Scheffknecht (1891-1982), in Lustenau besser bekannt unter seinem Beinamen „dar Schlau“.
Bereits sein Vater Ferdinand Scheffknecht war Sticker, er gründete die Firma „Ferdinand Scheffknecht“ im Jahr 1912. Hermann Scheffknecht übernahm das Unternehmen 1922 und wurde in der Folgezeit einer der wohlhabendsten Fabrikanten Vorarlbergs.
Wechselvolle Unternehmensgeschichte
Mehrere Prüfungen durch Steuerbehörden zwischen den Jahren 1938 und 1940 wurden aufgrund des Verdachts durchgeführt, Hermann Scheffknecht verschweige ein erhebliches Auslandsvermögen. Angeblich begann er bereits im Jahr 1929 systematisch damit, sein Vermögen in die Schweiz zu transferieren. Nach weiteren Prüfungen „ließ ihn die Zollfahndung am 7. Mai 1941 wegen ‚schwerwiegender Devisenvergehen, des Betrugs und umfangreicher Steuerhinterziehungen‘ verhaften“, erzählte Peter Melichar.
Nach seiner Freilassung 1943 erkannte Hermann Scheffknecht im Februar 1944 seine Steuerschuld an, floh jedoch wenige Tage später mit seiner Familie in die Schweiz. Seine Liegenschaften, darunter auch bedeutender Waldbesitz, wurden veräußert, die Betriebsgebäude wurden von der Fa. Josef König & Co. erworben.
Nach dem Krieg versuchte Hermann Scheffknecht, sein Eigentum in verschiedenen Verfahren einzuklagen. Er stellte außerdem einen Antrag auf Rückstellung seines Unternehmens, was daran scheiterte, dass es ihm nicht gelang, sich glaubhaft als Opfer politischer Verfolgung durch die NS-Behörden darzustellen. Das Steuerstrafverfahren wurde weitergeführt.
Lebhafte Diskussion
Den Abschluss des Vortrags bildeten Erläuterungen zur Nachkriegszeit und Hermann Scheffknechts weiteren unternehmerischen Tätigkeiten in Süddeutschland. Peter Melichar betonte die vor allem in Scheffknechts späteren Jahren nur bruchstückhafte Überlieferung, eine Tatsache, mit der sich HistorikerInnen nicht selten konfrontiert sehen.
Der Referent stellte sich nach seinem Vortrag bereitwillig den Fragen der Anwesenden, wobei auch Gemeindearchivar Wolfgang Scheffknecht noch einige ergänzende Worte zum Inhalt des Vortrags beisteuerte.
Interessant waren auch die zahlreichen Beiträge, in denen BesucherInnen Anekdoten aus dem Geschäftsleben von und mit Hermann Scheffknecht erzählten.
Nachlese und Ausblick
Interessierte können die wechselvolle Geschichte des Hermann Scheffknecht in Peter Melichars Publikation zum Thema nachlesen: Peter Melichar, Der Fall Scheffknecht, in: Verdrängung und Expansion. Enteignungen und Rückstellungen in Vorarlberg, Wien-München 2004, S. 90-102.
Das nächste Lustenauer Archivgespräch findet am 14. November 2016 statt. Gemeindearchivar Wolfgang Scheffknecht wird sich in seinem Vortrag mit „Kriminalität und Devianz im alten Lustenau“ im Zeitraum 1500 bis 1900 beschäftigen.