News Lauftraining für Flüchtlinge 3. Juni 2016
Nichts verbindet mehr als Sport - eine Erfahrung, auf die der Lustenauer Harald Hagen nicht mehr verzichten möchte. Eigentlich wollte er sich nur fit laufen für einen Marathon, jetzt trainiert er mit Flüchtlingen. Die Trainingsgruppe ist ein Projekt des Netzwerkes für Flüchtlinge und zeigt, wie es laufen kann.
Jeden Dienstag und Donnerstag steht Harald Hagen kurz vor neun in Laufschuhen vor der Flüchtlingsunterkunft am Glaserweg. Manchmal wird er sehnsüchtig erwartet, manchmal braucht es etwas, bis seine Läufer in die Gänge kommen.
Heute lässt Haidar, der aus einem kleinen afghanischen Dorf nach Lustenau geflohen ist, lachend seine Muskeln spielen, er sei bereit. Hagen lacht mit, denn er weiß, bereit sein für Neues, ist etwas sehr Wichtiges, wenn man tausende Kilometer von Zuhause lebt.
Für viele Flüchtlinge sind die zwei Trainingseinheiten mit Harald die Highlights der Woche, sie geben Struktur und das Gefühl, wenigstens kleine Schritte nach vorne zu machen. Die Läufer kommen hauptsächlich aus Afghanistan, aber auch Syrer, Iraner und Iraker waren schon bei den Trainingseinheiten dabei.
Für die meisten ist Harald Hagen ein sanfter Einstieg in Sachen Integration, denn viel reden muss man beim Laufen nicht. „Im Gegenteil“ erklärt Hagen, das Laufen ist sehr wichtig, um den Kopf einmal frei zu bekommen, um Unverarbeitetes zu verdauen und einfach einmal loslassen zu können.“
Auszeit vom Alltag
Gerade das Stoppen des Gedankenkarussells sei für Menschen mit traumatischen Erfahrungen eine willkommene Abwechslung. „Nach 20 bis 30 Minuten schaltet das Hirn ab“, weiß Hagen aus Erfahrung, der Körper konzentriere sich nur noch aufs Vorwärtskommen.
„Laufen befreit“ ist sich der Ehrenamtliche sicher, der sich vor allem deswegen engagiert, weil es ihm wichtig ist, eine Innenansicht von der Flüchtlingsthematik zu bekommen. Einfach seine Augen zu verschließen, ist nichts für den Produktentwickler, der sich gern eine eigene Meinung bildet und die ist durchaus differenziert.
Auch er habe Ängste, aber eine Überzeugung begleite ihn schon ein Leben lang: „Man muss Menschen, die in Not sind, eine helfende Hand bieten.“ Berührungsängste im persönlichen Kontakt hatte der 43jährige von Anfang an allerdings keine. Flexibel und immer offen für alles sei er, meint der passionierte Läufer, der auch privat neue Wege geht.
Seine Frau arbeitet in einer Führungsposition, für die zwei gemeinsamen Kinder wollte das Paar keine Fremdbetreuung, die Lösung der kleinen Familie besticht: Harald ist stolzer Hausmann. Seine Freizeit will der freiwillige Helfer sinnvoll verbringen, die Laufgruppe ist eine Tür in eine andere Welt - für beide Seiten.
Kontakte knüpfen
Zum Laufen ist Harald Hagen erst recht spät gekommen, knapp vor dem Vierziger hat ihn der Schwager, ein guter Marathonläufer, begeistern können. Heute liegen fünf Langstreckenläufe hinter dem Lustenauer, der durch die Beschäftigung mit der Familie sein Laufpensum deutlich einschränken musste und nach neuen Herausforderungen suchte. Der einstündige Dauerlauf mit „seinen Jungs“ ist der optimale Einstieg für den nächsten Marathon und macht Hagen jedes Mal aufs Neue sehr zufrieden.
„Die Bewegung tut meinem Körper gut, die Stunde hat aber auch einen deutlichen sozialen Mehrwert für mich.“ Obwohl die sprachliche Barriere noch vorhanden ist, verständigt man sich mit Händen und Füßen, lacht viel nach dem Laufen und Harald wird regelmäßig zum Tee eingeladen, wenn genug geschwitzt wurde. Dann probiert man „a klei schwätza“, was immer besser funktioniert und schnell wurde klar, auf beiden Seiten dreht sich das Leben um das Wesentliche: Kinder, Familie und Beruf.
Spenden sind willkommen
An manchen Tagen läuft es besonders gut, dann werden die Jungs auch mal zum Kaffee eingeladen, „das tut mir nicht weh und freut sie besonders.“ Weh tut allerdings die Tatsache, dass die Ausrüstung noch nicht wirklich passt. Seine Läufer freuen sich über alles, bleibt Hagen bescheiden, der selbst schon einiges gespendet hat. „Wir reden da nicht von Funktions-Laufbekleidung“, lacht der Leiter der Laufgruppe, natürlich wären solche Spenden mehr als willkommen, aber oberste Dringlichkeit haben Laufschuhe in allen Größen – gerne auch gebrauchte. Mit zerschlissenen Halbschuhen, die schon einige tausend Kilometer hinter sich haben, kommt man zwar über die Runden, „aber ich wünsche mir für die Jungs auch ein kleines bisschen Spaß.“
Sachspendensammlung:
Jeden 1. Samstag im Monat gibt es die Möglichkeit, Sachspenden und Kleidung für in Lustenau lebende Flüchtlinge abzugeben.
Wo? Im Schützengarten, Lustenaus Treffpunkt für Soziales und Gesundheit, Schützengartenstraße 8
Wann? Jeden ersten Samstag im Monat, 9-11 Uhr
Nächster Termin: Samstag, 2. Juli 2016