News Lustenauer:innen fahren Rad: Stefan Bösch 6. Mai 2015
Das zweite Interview in unserer Radler-Serie führten wir mit Stefan Bösch. Meistens ist er in Lustenau auf seinem Liegerad anzutreffen. Der 37-jährige ist selbstständig und hat erst mit 24 Jahren den Führerschein gemacht.
Stefan, warst du schon immer mit dem Rad unterwegs?
Als Kind und Jugendlicher in Lustenau war es ganz normal, dass man radelt. Ich habe erst mit 24 Jahren den Führerschein gemacht, und danach bin ich ganz viel Auto gefahren. Wirklich überall hin, auch kurze Strecken. Damals habe ich in Bregenz gearbeitet, und eines schönen Tages bin ich einfach mit dem Rad zur Arbeit gefahren.
Ich habe gleich gemerkt: Das macht mir Spaß, aber ein neues, schnelles Rad muss her! Also habe ich mir ein Mountainbike gekauft und dann ist es richtig losgegangen – ich bin einfach immer mehr und mehr mit dem Rad gefahren. Meine schlechte Kondition hat mir anfangs echt zu schaffen gemacht...
...und heute fährst du ja fast ausschließlich mit dem Rad, oder?
In meinem Kopf war eine große Barriere. Ich habe immer gedacht, „in Lustenau zu radeln geht gut, aber darüber hinaus, das ist wirklich weit...“. Aber man muss es einfach tun und ausprobieren. Wenn ich morgens um 7 Uhr auf die FH nach Dornbirn geradelt bin, bin ich richtig aufgeweckt und wach angekommen. Und das Radeln gibt dir Zeit nachzudenken, einzelne Termine des Tages im Kopf vorzubereiten.
Heute arbeite ich von zu Hause aus. Da habe ich gemerkt, dass ich das Auto nur noch etwa zweimal im Monat verwende – und es daraufhin entsorgt. Die Reaktionen meiner Mitmenschen darauf waren sehr unterschiedlich. Manche haben mich unterstützt, andere haben mich ausgelacht oder mich für komplett verrückt erklärt. Warum sollte man auch ohne Auto leben wollen, wo es doch so bequem und fein ist, eines zu haben?
Was ist dein Fazit nach 10 autofreien Jahren?
Heute fühle ich mich jedenfalls sehr fit. Ich würde mich nicht als Sport-Radler bezeichnen, aber durch das Alltagsradeln bekommt man ganz „nebenbei“ eine gute Kondi. Nachdem ich zwei Winter durchgeradelt bin, habe ich gemerkt, dass ich ein anderes Rad brauche und somit bin ich recht bald auf die 3-rädrigen Liegeräder gestoßen. Da kann ich Spikes montieren, habe eine Regenhaube, zwei Transporttaschen und absolviere weite Strecken in gemütlicher Sitzposition. Das Liegerad verwende ich für Fahrten in die Umgebung, z.B. zu einem meiner Lieferanten nach Götzis.
Was würde dir dein Leben als Alltagsradler erleichtern?
Der Verkehr hat in den letzten Jahren zugenommen, das erhöht natürlich das Konfliktpotenzial auf der Straße. Ich erlebe regelmäßig gefährliche Situationen, gerade wenn es eng ist und der Radfahrstreifen bei stockendem Verkehr schmal ist. Wenn man im Auto sitzt, merkt man das oft nicht, man ist im Warmen und hört Musik – und vergisst schon mal die Realität der RadlerInnen.
Umgekehrt gilt auch für die FahrradfahrerInnen, mehr Respekt gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern zu zeigen und sich nicht an jeder Ampel vorzudrängeln oder auf Gehsteigen zu fahren. Das ist mir wirklich ein wichtiges Anliegen, dass das „Miteinander“ und das Klima auf der Straße besser werden.
Wie könnte deiner Meinung nach der Radfahr-Anteil im Verkehr erhöht werden?
Ich glaube es braucht mehr Vorbilder, dadurch steigt die Akzeptanz für das Radfahren und wir können beginnen, umzudenken. Es gibt immer eine Lösung, ich gehe beispielsweise öfters kleiner einkaufen statt einem großen Monatseinkauf.
Mittlerweile habe ich von Regenschutz bis Flickzeug immer alles dabei – das gibt mir die Möglichkeit, mit dem Rad flexibel zu sein – der Vorteil gegenüber dem öffentlichen Verkehr – und gleichzeitig meine Mobilität wie mit dem Auto „von Tür zu Tür“ zu gestalten. Ich bin vielleicht ein bisschen ein extremer Typ, was das Radfahren anbelangt – aber ich genieße es, den Wind und die Kälte zu spüren, und bei jedem Wetter draußen an der frischen Luft zu sein.