News Pedalpiraten und Gartenrebellen in Lustenau 20. Januar 2016

Pedalpirat3

Die Lustenauer „Pedal Piraten“ und das Permatop Lustenau leisten Pionierarbeit im Land. Die einen, weil deren Gründer, Ralph Hollenstein, der erste österreichische Öko-Logistiker im ländlichen Raum ist. Die anderen, weil sie mitten im Zentrum von Lustenau einen Gemeinschaftsgarten geschaffen haben, in dem sie Obst und Gemüse ohne Gift und Fremdmaterial wachsen lassen. Nun wurden beide Initiativen für ihre vorbildliche Haltung mit dem Lustenauer Umweltschutzpreis ausgezeichnet.  

Pedalpirat3

Ralph Hollenstein ist überzeugt, dass das Fahrrad in Großstädten wie auf dem Land das Transportmittel der Zukunft ist. Und der Erfolg gibt ihm Recht: Vor eineinhalb Jahren hängte der begeisterte Radfahrer seinen langjährigen Job im Überseehandel bei einer Schweizer Spedition an den Nagel und verwirklichte seinen Traum von einem umweltfreundlichen Zustelldienst. Nach einem Jahr hatte Ralph Hollenstein 16.000 Kilometer auf dem Lastenrad zurückgelegt und sein Start-up, die „Pedal Piraten“, schrieb schwarze Zahlen. Mittlerweile hat der Jungunternehmer auf dem Rad die halbe Welt umrundet und sich mit seinen unkonventionellen Ideen bei der Umsetzung seiner Geschäftsidee den Zuspruch der Lustenauerinnen und Lustenauer erradelt. Obendrauf sind er und seine Frau Elke Fitz noch Mitbegründer von „Radeln ohne Alter“, einer Initiative, bei der Freiwillige Seniorinnen und Senioren mit Fahrradrikschas in Lustenau spazieren fahren.

Kreativer Zustellservice ohne Abgase

Pedalpirat4

Ralph Hollensteins Kundenkreis und sein Streckennetz wachsen beinahe täglich und es gibt nichts bis zu 250 Kilogramm, was der Pedal Pirat nicht mit seinem Lastenrad transportieren könnte. Und das bei jedem Wind und Wetter! Für den Vetterhof – ein Kunde der ersten Stunde - stellt er wöchentlich die Gemüsekiste zu, auch eine Druckerei oder Spar König sind Stammkunden. Mit Chef Johannes König hatte er zum Beispiel den Einfall, die bei König gemachten Einkäufe direkt per Fahrrad nach Hause zu liefern. „Die gnouot Louot“, wie der Lieferservice getauft wurde, wird jeden Dienstag und Freitag nach Bestellung bis 10 Uhr zwischen 17 und 19 Uhr zugestellt. Getränkekisten, Christbäume, Kühlschränke, Milchkannen, Kisten mit Käsdönnola, ... – mit Frachten in homöopathischen Einheiten ist Ralph Hollenstein selten unterwegs, trotzdem ist er dank Elektroantrieb entspannt und oft schneller als das Auto am Ziel - auch über Lustenau hinaus oder in die benachbarte Schweiz. So sieht man ihn nicht selten auf der Rheinbrücke freundlich lächelnd am Stau vorbeiziehen. Öfters hat der Pedal Pirat auch nicht alltägliche Passagiere an Bord, etwa den Nikolaus oder ein frisch vermähltes Ehepaar, das sich das Lastenrad als Hochzeitskutsche ausleiht. 

Lastenradservice und erste Vorarlberger Radküche

Apropos ausleihen: Ralph Hollenstein betreibt und verleiht seit letztem Sommer auch die erste Vorarlberger Radküche, die er zusammen mit einem befreundeten Tischler auf ein Lastenrad gezimmert hat. Ein neues Lastenrad, das bei den Pedal Piraten gekauft wird, wird übrigens von der Gemeinde mit 400 bzw. 600 Euro für die Elektroversion gefördert. Cousin und Zweiradfachmann Marc Bösch von 2Rad-Holly ist Servicepartner und montiert und repariert alle Modelle. Und welche Pläne gibt es für die Zukunft? 2016  wollen die Pedal Piraten expandieren und eine Lastenrad-Station in Bregenz eröffnen, später will Ralph Hollenstein das gesamte Rheintal umweltfreundlich beliefern. 

„Lust.Garten“ mit jungem, wilden Gemüse

Permatop Neben der Möglichkeit zum Mitgärtnern bietet der Verein Permatop auch Kurse zur Saatgutgewinnung und Permakultur an.

Auf fruchtbaren Boden mitten im Zentrum von Lustenau fiel vor sechs Jahren auch die Idee eines Gemeinschaftsgartens, der nach den Grundsätzen der Permakultur bewirtschaftet wird. Etwa 25 Leute, darunter 7 aktive Gärtner und allesamt Mitglieder des Vereins Permatop, betreuen den Lust.Garten. In dieser grünen Oase, die sich hinter den scheinbar wilden Sträuchern entlang des Pfarrwegs verbirgt, werden Obst, Gemüse und Kräuter ohne Gift und Fremdmaterial angebaut. Die Initiatoren dieses Projekts, Elisabeth Esterer-Vogel und Siegfried Vogel, waren die ersten im Land, die ihre mittlerweile zum Trend gewordene Vision vom urbanen Gärtnern verwirklichten. Ihnen ist es dank vieler helfender Hände und Mitgärtner gelungen, das 2.000 m² große Grundstück mit Bäumen und Sträuchern Schritt für Schritt in einen artenreichen, blühenden Lebensraum zu verwandeln. 

Gepflanzt wird, was schmeckt

Permatop In den Gemeinschaftsgarten im Pfarrweg sind alle eingeladen, die einen blühenden, und artenreichen Garten erschaffen und erhalten helfen.

Wer einen Blick in den Gemeinschaftsgarten wirft, wird staunen. Er entdeckt Wildstrauchhecken aus Korallen-Ölweide oder weißen Johannisbeeren, einen Sonnen- und Waldgarten, Nützlingsbiotope, Gemüsebeete mit seltenen Chilipflanzen oder Tomatenraritäten, Bienenstöcke, ein kleines Gewächshaus oder Hochbeete, die Mitte November noch Blumenkohl hervorbringen. Alle, die zuhause keinen Garten haben, finden hier die Möglichkeit, einen Teil ihres Bedarfs an Obst, Gemüse oder Kräuter in Einklang mit der Natur selbst anzubauen, zu ernten und zu verarbeiten. Die Gärtnerinnen und Gärtner sind unterschiedlich motiviert. So bepflanzten Arbeitskollegen ein Beet für ihren Mittagstisch, junge Familien ohne Garten haben Platz in der Natur, eine begeisterte Seniorin unterstützt bei den Gemeinschaftsarbeiten. Allen gemein ist ihre Verbundenheit zur Natur und die Liebe zum Gärtnern. 

Die Arbeit trägt Früchte

Permatop

Dass die viele Arbeit, die in einem Garten steckt, auch Früchte trägt, merkt man an vielen Aufmerksamkeiten oder Begegnungen: Etwa wenn Nachbarinnen im Winter die Vögel füttern, wenn ein Imker seine Bienenstöcke aufstellen möchte, wenn sich Leute von auswärts über die Gründung eines Permatops informieren, wenn der Tag der offenen Gartentür gut besucht ist oder wenn jemand statt am Garten vorbeizugehen, eintritt und begeistert ist. Gegärtnert wird, weil es Freude macht und die Ernte schmeckt. Der Lust.Garten soll aber auch ein Ort sein, an dem Gemeinschaft wächst und Bildung passiert. Permatop-Obmann Carlos Lampacher und die Freunde und Mitglieder des Vereins wollen „verlorenes“ Wissen und Fertigkeiten in Anbaumethoden mittels Permakultur-Crashkursen neu beleben und Themen wie Naturbewusstsein, Selbstversorgung, biologisch Gärtnern wieder mehr ins Bewusstsein bringen. "Wir möchten die Permakultur auch in andere Gärten und Grünflächen bringen und freuen uns, wenn sich noch mehr Menschen zu uns gesellen." Mit weiteren Gemeinschaftsbeeten, die 2016 auf dem Plan stehen, und der ansteckenden Begeisterung für das gemeinschaftliche Gärtnern dürfte sich dieser Wunsch im neuen Jahr erfüllen. 

Große Veränderungen fangen klein an: Von Pedalpiraten und Gartenrebellen in Lustenau