News Starke Bilder von einem Krieg, der noch immer präsent ist 25. Januar 2024
Unter den Zehntausenden Menschen, die in den 1990er Jahren vor dem Krieg auf dem Balkan flohen, war auch der damals 16-jährige Miro Kuzmanovic, der heute als Fotograf in Lustenau lebt. Auf der Flucht nach Österreich sind erste eigene Fotos entstanden und aus dem Wunsch, sich mit der eigenen Biografie und der Geschichte seines einstigen Heimatlandes Bosniens auseinandersetzen, hat Miro Kuzmanovic etliche Jahre, viele Reisen und noch mehr Bilder später, ein Fotobuch herausgegeben. „Signs by the Roadside/Wegzeichen“, so der Titel des 336 Seiten starken Buches mit 270 s/w-Fotos, wurde Ende des letzten Jahres mit der Silbermedaille des Deutschen Fotobuchpreises 2023/24, der als angesehenster Wettbewerb für Fotobücher im deutschsprachigen Raum gilt, ausgezeichnet.
Miro, lange Zeit wolltest du nur vergessen, was damals in deiner alten Heimat geschehen ist. Wie ist es gekommen, dass du dich wieder mit der Erinnerung beschäftigt hast?
Dazu gekommen ist es, weil ich glaube, dass es, ohne sentimental wirken zu wollen, ein natürliches Verlangen ist, sich mit seiner Geschichte auseinanderzusetzen und dem, was einen in der Jugend geprägt hat.
Wie hast Du das Land Deiner Kindheit nach dem Krieg vorgefunden?
Der Bürgerkrieg hält die Länder des ehemaligen Jugoslawiens nach wie vor im Würgegriff und prägt den Alltag der Menschen maßgeblich. Rechte Politik dominiert. Somit schreitet eine Versöhnung nur sehr schleppend voran, eine Auseinandersetzung geschieht meist in Form von Verdrängung. Ich wollte für meinen Teil eine Art „Tabula rasa“ machen, einen Schlussstrich ziehen, indem ich das, was war und was ist, visuell aufarbeite.
Die Idee zu einem Fotobuch ist schon früh entstanden, bis zur Umsetzung hat es dann einige Jahre gedauert…
Zum einen bin ich seit vielen Jahren von Fotobüchern besessen, und diese sind für Fotografen ein grundlegendes Ausdrucks- und Verbreitungsmittel, seit die ersten Fotografen ihre Bilder in Alben eingeklebt haben. Tatsächlich war die Fotografie im 19. Jahrhundert im Wesentlichen buchbezogen. Andererseits gibt es unzählige Gründe, warum Fotografen Bilder machen. Manche fotografieren, um sich kreativ auszudrücken, manche, um die Sicht auf die Welt festzuhalten, manche, um unsere Wahrnehmung der Welt zu verändern, manche einfach, um ihre Rechnungen zu bezahlen. Vom ersten Tag an hatte das Fotografieren für mich in vieler Hinsicht etwas Existenzielles. Entsprechend lange habe ich gebraucht, um mich am Thema abzuarbeiten, ohne schnell eine Geschichte erzählen zu wollen.
Warum ist das Buch im Eigenverlag erschienen?
Über einen Verlag zu publizieren hat bezüglich des Vertriebs Vorteile, heißt aber meistens, dass man, um die Publikation wirtschaftlich erfolgreich zu machen, in der Umsetzung Kompromisse eingehen muss (Papier, Druckqualität etc.). Und das wollte ich nicht. Dank der Förderung der Kulturabteilung der Marktgemeinde Lustenau, des Landes Vorarlberg und des Zukunftsfonds der Republik Österreich war es mir möglich, das finanzielle Risiko des Eigenverlags zu minimieren.
„Das Potenzial der Fotografie besteht nicht nur darin, Orte zu beschreiben, sondern auch darin, Gefühle zu interpretieren.“
Kannst du das besondere Layout des Buchs ohne Beschriftung der Fotos und Seitennummerierung beschreiben?
Ich bin Autodidakt und meine visuelle Bildung ist sehr stark vom Film geprägt, als Aneinanderreihung einzelner Bilder. Die Fotografie ist besonders gut geeignet für „das Buch“, ein natürliches Format für die Sequenzierung und Reproduktion. Somit sind Layout bzw. Rhythmus sehr stark am Film angelegt. Das Potenzial der Fotografie besteht nicht nur darin, Orte zu beschreiben, sondern auch darin, Gefühle zu interpretieren.
Was bedeutet eine Auszeichnung wie die Silbermedaille des Deutschen Fotobuchpreises 23/24, mit der u.a. auch Publikationen von Valie Export und Inge Morath prämiert wurden?
Es steht außer Frage, dass Wettbewerbe immens wichtig sind, um ein Buch und damit seine Arbeit zu bewerben. Nominiert und von einer Fachjury ausgezeichnet zu werden, freut einen umso mehr.
Über Miro Kuzmanovic
Der Fotojournalist und autodidaktische Dokumentarfotograf (Jg 1976) geboren und aufgewachsen im ehemaligen Jugoslawien, lebt in Lustenau. In seiner fotografischen Praxis befasst er sich mit Erinnerung, mit Identitäts-, Migrations- und Geschichtsfragen und wie sie unser Realitätsempfinden prägen. Seine Werke wurden mehrfach ausgestellt und ausgezeichnet (Rencontres d’Arles Book Award, American Photography Award, MACK First Book Award u.a.) und befinden sich in der Sammlung des vorarlberg museums sowie in Privatsammlungen.