News Unser Ortsbild: Baukulturelles Erbe sichern und gestalten 15. April 2025
Um die Transformation des Siedlungsraumes im wachsenden Lustenau mitzugestalten, braucht es vorab den realistischen Blick auf das Ganze. Das Ortsbildinventar erfasst bedeutende Bauten, Ensembles und Straßenzüge, benennt ortstypische Merkmale und analysiert städtebauliche Eigenheiten, damit künftig Altbewährtes erhalten bleibt und wohlgestaltetes Neues sich in den Kontext fügt.
Lustenau ist anders …
Besonders an Lustenau sind nicht nur die sprachlichen und gesellschaftlichen Eigenheiten, sondern auch seine Siedlungsstruktur. Ein Blick auf historische Ortskarten zeigt: Das Dorf setzte sich aus sieben Weilern zusammen, dazwischen lagen große Felder, durchkreuzt von ein paar Verbindungsstraßen. Auch der ursprüngliche Lauf des Rheins und die vielen Entwässerungskanäle des Sumpfgebiets prägten den wachsenden, teils verwirrenden Siedlungskörper. Was in diesem scheinbar ungeordneten Raum heute dennoch Orientierung und Charakteristisches bietet, sind seine Bauten. Ortstypisches bedeutet jedoch in Lustenau nicht zwangsläufig Gleichförmiges, die Rheingemeinde muss vielmehr als Konglomerat verstanden werden.
Die angesprochene Vielfalt spiegelt sich in einem Mosaik aus Häusern unterschiedlicher Epochen und Haustypen. Manche Straßenzüge oder Quartiere definieren sich nach wie vor durch ihre jeweilige baulich-zeitbezogene Art und Bauweise, vielerorts hingegen gibt es harte und unvermittelte Stil-Brüche. Typologisch reicht das Spektrum von ehemals landwirtschaftlich genutzten Rheintalhäusern und Gasthöfen über gut erhaltene Stickerhäuser und bürgerliche Gründerzeitbauten bis zu Siedlungen der 1940er und 1950er Jahre, einzelnen Hochhäusern der 1960er und 1970er Jahre und Gewerbe- und Industriebauten des Wirtschaftsbooms. Als ungebändigtes Füllmaterial der einstigen Siedlungsstruktur erweisen sich die individualisierten Einfamilienhäuser und uniformen Wohnbauten aller Dekaden von der Nachkriegszeit bis heute.

© Historisches Archiv

© Marina Hämmerle
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Das aufkommende Stickereigewerbe und die wirtschaftstreibenden Zuzügler aus Süddeutschland brachten neue Baustile und Bauformen nach Lustenau. Bürgerhäuser mit Kreuzgiebeldächern hielten Einzug, stattliche Fabriken und Gründerzeitvillen wurden errichtet. Nach und nach reduzierte sich das Bild des bäuerliches Lustenau, abgesehen von verstreuten Einzelbauten oder kleinen Ensembles, auf ein paar Straßenzüge im Holz und dem Stalden. Auch in Lustenau trifft zu: Die Ansicht einer Stadt, eines Dorfes ist kein Foto, sondern ein Film. Transformation ist in florierenden Kommunen unausweichlich, die Anforderungen an Bauten und die Bedürfnisse der Nutzer:innen verändern sich permanent, oft schubweise. So wandelte sich in den letzten zwei Jahrzehnten beispielsweise der Charakter der Holz- und Staldenstraße drastisch, mischten sich landläufige, unspezifische Wohnbauten in die ehemals von Holzbauten dominierten Straßenzüge. Umso mehr gilt es, das Augenmerk auf einige gut erhaltene Bauernhäuser zu legen. Ebenso kommen die Haupt-Straßenzüge Maria-Theresien-Straße und Kaiser-Franz-Josef-Straße zusehends in Bedrängnis durch Geschäfte-Leerstand und Bauvorhaben. Die Liste an Beispielen wäre lange …
Erheben, vergleichen, ordnen

© Marina Hämmerle
Die Inventarisierung bedeutender Bauwerke, zeitlich begrenzt bis ca. 1995, deren Ensembles und Straßenzüge, basiert für die ARGE Salzmann-Hämmerle auf der Einbeziehung Lustenau-relevanter Einträge in einschlägiger Literatur, wie dem Architekturführer von Friedrich Achleitner oder dem Baukunstführer von Otto Kapfinger. Eine unbestrittene Grundlage sind die Unterschutzstellungen durch das Bundesdenkmalamt, geschöpft wird auch aus den Einträgen im Kulturführer Dehio, dem entsprechenden Band von Hannes Peer und dem umfangreichen Buch „Bauerbe Lustenauer Stickerhäuser – eine Bestandsaufnahme“, erarbeitet im Historischen Archiv Lustenau. Ähnliche Richtlinien benachbarter Schweizer Kantone boten Anregung für eine Lustenau-spezifische Konzeption, Gespräche mit Persönlichkeiten aus Denkmalschutz und Architekturtheorie unterfüttern das gedankliche Gerüst des Ortsbildinventars. Angepeilt war die Erhebung von ca. 120 maßgeblichen Bauten und zwölf Straßenzügen und Ensembles, nach verschiedenen Kriterien kategorisiert und priorisiert. Im Laufe der Feldarbeit, der Begehung Straßenzug um Straßenzug, stellte sich heraus, dass sich die Liste schwerlich auf 120 Objekte eingrenzen lässt. Die Bedeutung einzelner Bauten liegt nämlich oftmals in der Einbettung ins Ensemble oder einer intakten, gleichförmig gestalteten Häuserzeile. Will man als Kommune die Gestalt des Ortsbildes lenken und wichtige kulturelle und zeitgeschichtliche Häuser bewahren, ist es unumgänglich, deren Bedeutung fundiert zu argumentieren und in praktikable Strategien überzuführen. Vielfach sind es Erbangelegenheiten oder veränderte Nutzerbedürfnisse, die einen Abbruch in den Raum stellen. Kommt ein Bauwerk dennoch abhanden, braucht es Rahmenbedingungen, die zumindest Referenzen an den Standort und/oder die Haustypologie einfordern, damit sich Altbewährtes auf transformierte Weise wiederum in den Kontext, in das Umfeld bettet.
Wie das angelegt ist, davon können sich die Bürger:innen an Hausbeispielen sowie Ensembles und Häuserzeilen in weiteren Beiträgen ein Bild machen; noch anschaulicher wird es für Interessierte bei den zwei geplanten Spaziergängen am 25. April und 27. Juni.