News Wie aus einem „Tänn“ Wohnraum wird 3. Oktober 2018
Die Besichtigungsreihe „Ein guter Rat vor Ort“ gewährt Interessierten Einblick in um- und neugenutzte Gebäude und versucht auch unterschiedliche Herangehensweisen und Entwicklungsstadien von Sanierungs- und Umnutzungsprojekten zu vermitteln. Es war deshalb besonders interessant, beim bereits 6. „Guten Rat vor Ort“ am 22. September zum ersten Mal zu Gast auf einer Baustelle sein zu dürfen.
Vielen Lustenauerinnen und Lustenauern ist nicht verborgen geblieben, dass sich in der Rosenlächerstraße 6 etwas tut. Der markante große Stadel, in dem bis vor etwa 20 Jahren noch Landwirtschaft betrieben wurde und der seither als allgemeine Lagerfläche und Garage für die angrenzend wohnende Familie diente, wird umgenutzt. Er soll künftig Platz für drei Wohneinheiten bieten. Entsprechend groß war das Interesse am 6. „Guten Rat vor Ort“, wo man erfahren konnte, wie diese spezielle Bausubstanz für die neue Nutzung adaptiert wird.
Den richtigen Zeitpunkt nutzen
Verantwortlich für das Projekt zeichnen zum einen Lisa und ihr Mann Thomas Gruber, sowie Lisas Mama Sabine und deren Mann Helmut Jussel. Das Objekt stammt aus Helmuts Familie und dieser – selbst Tischler – hegte schon seit langem den Gedanken, den Stadel auszubauen. Als Lisa und Thomas dann aktiv auf Wohnungssuche gingen, war er es, der das Projekt forcierte. „Es war der richtige Zeitpunkt. Wenn Lisa und Thomas irgendeine Wohnung gekauft hätten, hätte ich das Projekt vielleicht nie mehr in Angriff genommen und die riesige Kubatur wäre weiterhin leer gestanden“, erzählt Helmut Jussel. Gemeinsam mit der befreundeten Architektin Felicitas Wolf entwickelte er daraufhin das Grundkonzept. Mit seinem Schulfreund Helmut Fetz, der die Zimmererabteilung der Gebrüder Keckeis GmbH in Lustenau leitet, wurde die Planung sowie später die Umsetzung dann konkretisiert.
Vorbildliches Projekt
„Gemeinsam mit Felicitas haben wir verschiedene Möglichkeiten durchgedacht, wie die Kubatur in Wohneinheiten aufgeteilt werden kann. Schlussendlich ist eine Lösung entstanden, bei der alle Wohnungen mehrgeschossig sind. Aufgrund des Holzbaus könnte es ansonsten vielleicht zu Schallproblemen kommen, wenn verschiedene Einheiten übereinander liegen. Dieses mögliche Konfliktpotential wollten wir für eine zukünftige Vermietung vermeiden“, erklärt Helmut Jussel. Denn schon jetzt ist klar, dass die beiden kleineren Wohnungen mit jeweils rund 60 m2 vermietet werden sollen. Die große Wohnung mit ungefähr 110 m² werden die Bauherren Lisa und Thomas selbst bewohnen. Zusätzlich zu den drei neuen existiert bereits eine Wohnung in einem bestehenden Zubau zwischen Wohnhaus und Stadel. Diese wird künftig ebenfalls über den gemeinsamen Eingang neu erschlossen. Während Helmut einerseits Initiator des Projektes war und jetzt viel Eigenleistung beim Bau investiert, ist es das junge Paar, das den Umbau finanziert. Das ist momentan natürlich eine große Aufgabe, von deren Rentabilität alle Beteiligten aber überzeugt sind. „Der Mut und die Weitsicht zur Umsetzung eines solchen Projektes sind absolut bewundernswert. Es entsteht spannender, interessanter Wohnraum für mehrere Personen mitten im Zentrum und ein Zeuge vergangener Bau- und Wirtschaftsstrukturen bleibt für die Gemeinde als Identitätsstifter erhalten“, freut sich Bürgermeister Kurt Fischer über die Initiative der Familien Gruber und Jussel.
Sanierungsförderung des Landes möglich
Durch das Abwandern von Industrie- und Landwirtschaftsbetrieben aus den inzwischen dicht besiedelten Ortskernen sowie durch einen Strukturwandel generell sind vielerorts solche oder ähnliche Wirtschaftsgebäude in zentraler Lage frei geworden. Durch eine Änderung in der Wohnbauförderung ist es seit diesem Jahr möglich, für die Sanierung und Umnutzung solcher Objekte die Sanierungsförderung des Landes zu beantragen, obwohl eigentlich kein Wohnraum saniert, sondern neu geschaffen wird. Dies war ein guter Schritt in Richtung der Förderung von Nachverdichtung und Umnutzung. Die Familie Gruber/Jussel baut ohne Wohnbauförderung. Da in diesem Falle schlussendlich vier Wohnungen vorhanden sind, wäre es in ihren Augen mit zu vielen Auflagen verbunden gewesen. Zum Beispiel hätten auf dem knappen Grundstück Spielflächen für Kinder ausgewiesen werden müssen. Um die Ecke liegt der öffentliche Spielplatz des Kindergarten Rosenlächer, bei dessen „Mitnutzung“ jedoch eine Ausgleichsabgabe fällig geworden wäre. „Es ist schade, dass Förderungen nicht individueller und projektbezogener vergeben werden können“, schickt das Team vom „Guten Rat“ eine Anregung in Richtung Landesförderungen. „Doch glücklicherweise kann dieses Projekt trotzdem umgesetzt werden.“ So dürfen sich Lisa und Thomas und die weiteren Bewohner auf ein schönes künftiges Zuhause freuen. Für die Besucher beim „Guten Rat vor Ort“ war es besonders spannend zu sehen, aus welcher Grundsubstanz so etwas entstehen kann, welcher Aufwand und welche Konstruktionen sich hinter den fertigen Wänden verbergen. Einen Dank der Familie Gruber/Jussel für diese Möglichkeit!